Gestern war Tag der Arbeit. Dazu möchte ich mal meine momentanen Heldinnen der Arbeit vorstellen. Vor allem wo mir die Woche die wissenschaftliche Bestätigung für meine Einschätzung über den Weg gelaufen ist. Seit den ersten warmen Märztagen fliegen meine Mauerbienchen schon fleißig durch den Garten. In der momentanen Situation habe ich öfter gewitzelt, dass auf unserer Terrasse wohl mehr Flugverkehr ist als aktuell am Frankfurter Flughafen. Offenbar fühlen sie sich auch in ihrem neuen Refugium wohl und ich musste behelfsmäßig anbauen, weil die Niströhren fast alle voll waren. So voll, dass eine experimentierfreudige Biene sogar darauf verfiel, ihr Nest in den Stopper vom Rollo zu bauen. Auch wenn er vielleicht nicht der höchsten menschlichen Ästhetik entspricht, mein „sozialer Wohnungsbau“ aus Pappröhrchen und Milchtüte wurde schnell angenommen. Eigentlich wollte ich mal selbst was „Richtiges“ bauen, aber ohne Baumarkt und unter Zeitdruck schwierig.
Nach den Mauerbienen sehe ich im Garten am häufigsten Ackerhummeln an den verschiedenen Blüten. So viele wie es sind, vermute ich, dass sie irgendwo ganz in der Nähe ihr Nest haben. Zuerst besuchten sie emsig den Goldlack, der noch von meinem Balkon stammt und inzwischen von einer kleinen Topfpflanze zu einem beachtlichen Busch herangewachsen ist. Dann fing die Heckenkirsche an zu blühen. Die steht direkt vor dem Wohnzimmerfenster, so kann ich jetzt statt Fernsehen auch einfach Hummeln gucken. Das macht wirklich Freude. Die Blüten der Heckenkirsche sind zwar eher klein und unscheinbar, aber sie duften ganz zart und lieblich und lassen damit ihre Verwandtschaft zum Geißblatt erahnen. Ich kann die Hummeln gut verstehen, warum sie von früh bis spät um den Busch summen. Den Großteil stellen die Ackerhummeln, hin und wieder konnte ich auch schon hübsch bunte Wiesenhummeln ausmachen.
Gerade die Ackerhummeln haben einen großen Vorteil an den Heckenkirschenblüten: ihren langen Rüssel. Der misst etwa 10-15 mm. Im Vergleich dazu bringen es die deutlich stattlicheren Erdhummeln nur auf 9-10 mm und eine Honigbienenarbeiterin sogar nur auf 6-7 mm. Was in unseren Augen vielleicht nur ein paar Millimeter sind, hat aber dramatische Auswirkungen auf das Bestäubungsverhalten. So haben Forscher der Universität Göttingen verglichen, wie gut Honigbienen, Erdhummeln und Gartenhummeln für Fruchtansatz bei Ackerbohnen sorgen (https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0167880918301853). Da Ackerbohnen ihren Nektar recht tief in ihren Blüten verstecken, haben Honigbiene und Erdhummel mit ihren kurzen Rüsseln Mühe auf „legale“ Weise an ihre Nahrung zu kommen. Deswegen verfallen sie gerne auf eine Verhaltensweise, die man Nektarraub nennt. Sie beißen den Blütenkelch auf, um an den Nektar zu gelangen. Die Blüte geht dabei leer aus, denn der Nektar ist weg und sie nicht bestäubt. Die langrüsseligen Gartenhummeln aus der Studie dagegen kommen gut an den Nektar der Bohnenblüten und zeigen deswegen nur legale Blütenbesuche – noch dazu mit sehr hohem Bestäubungserfolg. Der Bohnenzüchter darf sich über viele Bohnen freuen. So können also weniger häufige, aber besser spezialisierte Bestäuber für eine höhere Ernte sorgen. Sprich es ist wichtig, auch bei den Blütenbesuchern auf Artenvielfalt zu setzen.
Besonders nachdenklich hat mich aber eine andere Studie gemacht. Hier haben Wissenschaftler Rübsamenblüten (Kreuzblütler, Verwandter von Ackersenf, Kresse & Co.) über sieben Pflanzengenerationen hinweg einmal nur von Hummeln und einmal nur von Schwebfliegen bestäuben lassen. Das Ergebnis: die Gruppe an Pflanzen, die nur von Fliegen bestäubt wurde, bildeten über diese sieben Generationen hinweg immer kleinere Blüten aus, die Hummel-bestäubten dagegen größere, stärker duftende Blüten. Beim Rübsamen wie allen anderen einjährigen Blumen sind sieben Generationen gerade mal sieben Jahre. Das ist Evolution zum Zuschauen. Mit anderen Worten hat auch hier die Artenvielfalt bei den Tieren eine deutlichen Einfluss auf die Pflanzenwelt. Angenommen ein Bestäuber verschwindet aus einer Region. Selbst wenn man ihn nach ein paar Jahren wieder einführt, wer sagt, dass ihm seine einstigen „Lieblingsblumen“ noch entsprechend Nahrung bieten? Umgekehrt, wer kann garantieren, dass eine Pflanzenart, die eingefroren im Saatgutarchiv liegt, ihre verschlafenen Jahre evolutionstechnisch aufholen kann? Das ist schon spannend und erschrecken zu gleich. Aber es bedeutet auch, dass sich die Natur an immer neue Gegebenheiten anpassen kann.
Summt und brummt es bei euch auch schon eifrig? Und wer ist da unterwegs? Mir ist aufgefallen, dass dieses Jahr bei uns irgendwie recht wenig Honigbienen unterwegs sind. Ist das bei euch auch so?
Hallo Mirjam,
ein sehr interessanter Artikel, der zum Nachdenken anregt.
Leider fliegt bei uns (noch) nicht viel, aber ich hoffe, das wird sich ändern, wenn die ausgesäten Blumen blühen. Woher bekommst du die Pappröhrchen für deinen „sozialen Wohnungsbau“? Die scheinen eine perfekte Größe zu haben.
Liebe Grüße,
Astrid
Die Pappröhrchen habe ich aus dem Internet. Die erste Charge (im linken Häuschen) hatte ich wahrscheinlich entweder vom Mauerbienen-Shop oder Naturschutzcenter. Das weiß ich nicht mehr so genau. Für das neuere Häuschen hatte ich die Röhren auf ebay gekauft. Da sie hinten keinen Stopfen hatten, habe ich sie mit Wachs verschlossen. Wenn du nach den Stichwörtern „Bienen“ und „Pappröhrchen/Niströhren“ suchst wirst du schnell fündig. Im Baumarkt habe ich auch noch ein Häuschen mit Pappröhren gefunden. Das steht seit ein paar Tagen mit dabei. Bisher habe ich noch keine Biene daran gesehen. Mal schauen, wie sich das entwickelt. Ich war auf jeden Fall angetan, dass zumindest zwei Modelle dort halbwegs sinnvoll ausgesehen haben (und auch noch die beiden günstigsten). Die anderen fielen leider eher in die Rubrik Bausünde.