Heute möchte ich euch die Geschichte zu den „Titelhelden“ der Tierkinder-Serie erzählen, den niedlichen kleinen Füchsen. Eine Geschichte, die mich gleichermaßen entzückt wie nachdenklich zurück gelassen hat. Ergeben hat sich diese Begegnung ganz spontan und unerwartet. Ich war mit einem Naturschutzkollegen auf einem ehemaligen Militärgelände unterwegs, um Nistkästen zu kontrollieren. Da entdeckten wir die kleine Füchse, ganz in ihr Spiel versunken, nur ein paar Meter von uns entfernt. Einer bemerkte uns, schaute neugierig auf. Nach einer kurzen Weile hielten alle in ihrem Spiel inne und guckten uns aus ihren schwarzen Knopfaugen an. Ihnen war anzusehen, dass sie mit unserer Erscheinung einfach nichts anzufangen wussten. „Große Tiere auf zwei Beinen? Sind die harmlos oder gefährlich? Mama wüsste das bestimmt. Aber die ist nicht da.“ Was auch immer in ihren kleinen Köpfchen vor sich ging, Angst schienen sie nicht zu haben. Menschen waren ihnen wohl neu in ihrer mit Maschendraht von Spaziergängern und Hunden abgeschirmten Kinderstube. Irgendwann wurde es einem von ihnen doch zu unheimlich, er huschte in den Bau zurück und schwupp, waren alle Geschwister hinterher.
Uns hat es sehr berührt, wie unbefangen die Kleinen auf uns reagiert haben. Die erwachsenen Füchse bei uns nehmen schnell Reißaus, wenn sie Menschen begegnen. Nur wenn sie sich unbeobachtet fühlen, hat man die Chance, diese wunderbaren Tiere zu beobachten, und das für Gewöhnlich eher aus Fernglasdistanz. Sie haben gelernt, dass Menschen offenbar zu fürchten sind. Die Kleine wussten das einfach noch nicht und haben ein Verhalten an den Tag gelegt, wie es für Kinder typisch ist: Neues zu erkunden, bis der Impuls kommt, die Sicherheit zu suchen. In der Alltagssprache nennen wir es gerne Neugierig, wissenschaftlich heißt es Explorations- oder Erkundungsverhalten. Auch Menschenkinder bewegen sich ständig zwischen den beiden Polen von Erkundungs- und Bindungsverhalten, also zwischen „Oh, was ist denn das spannendes Neues!“ und „Hilfe, Mama/Papa, nimm mich schnell auf den Arm, ich brauche jetzt deine Geborgenheit!“ Und genau betrachtet, ist es bei uns Großen auch nicht so viel anders, nur das die Grenzen weiter gesteckt und vieles in Schubladen einsortiert ist.
Biologisch gesehen ist es durchaus sinnvoll, dass die Jungen neugierig und unbedarft sind. So kann sich die nächste Generation an sich ändernde Umweltbedingungen anpassen und neue Lebensräume erobern. Wie neugierig ein Individuum ist, hängt nicht nur von der Tierart ab, sondern variiert mitunter recht stark innerhalb einer Spezies, auch unter Geschwistern. Wer mal einen Wurf Kätzchen oder Hundewelpen beobachtet hat, kann das sicher bestätigen. Forscher haben das bei Kohlmeisen näher untersucht und eine Art „Neugier-Gen“ entdeckt. Meisen mit einer bestimmten Variante dieses Gens zeigen als Jungvögel ein deutlich ausgeprägteres Erkundungsverhalten, d.h. sie reagieren interessierter auf fremde Gegenstände und hüpfen mutiger vom Nest fort als ihre Geschwister (Drd4 heißt das Gen und, es genauer wissen will, kann z.B hier nachlesen). Die Genetik scheint also eine Rolle zu spielen, wie neugierig sich Tierkinder verhalten. Und falls es beim Menschen auch so ein Gen gibt, bin ich mir recht sicher, dass ich die neugierigere Variante erwischt habe. Bei uns spielen da aber sicher noch andere Faktoren eine Rolle.
Und glücklicherweise können wir ein Leben lang lernen und an unseren kindlichen Prägungen arbeiten. Früher wäre ich Füchsen nämlich wahrscheinlich nicht so unvoreingenommen begegnet. In meiner Kindheit war Wildtollwut bei uns noch ein großes Thema und ihr Hauptüberträger der Fuchs. In der Zeitung war immer wieder von Füchsen zu lesen, die durch die Krankheit ihre Scheu vorm Menschen verloren und damit gefährlich wurden. Am Wäldchen hinten auf dem Feld hing ein Warnschild mit einem Fuchskonterfei, alleine habe ich mich dort nicht hingetraut. Vor Monstern unter dem Bett habe ich mich nie gefürchtet, davor, dass mir ein tollwütiger Fuchs begegnet schon. Zum Glück ist die Wildtollwut bei uns inzwischen so gut wie ausgestorben, die vergessenen Warnschilder längst verblichen und ich habe meine Assoziation „Fuchs = Tollwut“ abgelegt. Sonst hätte sich bei der Begegnung mit den Füchschen bei mir wahrscheinlich das Bindungsverhalten aktiviert und ich hätte mich hinter meinem Begleiter versteckt. Aber so konnte ich die kleine Fuchskinder betrachten wie sie mich: unvoreingenommen und voller Interesse.
Hallo,
welch schönes Foto von den zwei Fuchskindern! Welch ein Blick sie haben, besonders der vordere, sehr rührend.
Danke für diese schöne Begegnung.
Marika