Im Steinbruch

Steinbrüche haben für mich immer so ein bisschen was von Mondlandschaft. So könnte unsere Erde an manchen Stellen sicher ausgesehen haben, bevor die ersten Landpflanzen sie besiedelten. Und auch wenn es dort nicht nach unberührter Natur aussieht, gibt es auch heute noch hartgesottene Pioniere unter den Tieren, die gerne solch ständigem Wandel unterworfene, unwirtlich anmutende Plätze besiedeln – ganz einfach weil sonst kaum jemand dort siedeln mag und der Konkurrenzdruck entsprechend niedrig ist.

Entspricht auf den ersten Blick nicht ganz der Idealvorstellung von einem idyllischen Biotop – wer gerne wohnt?

Wenn man sich die Zeit, ein bisschen zwischen den Steinbrocken herumzukraxeln, zu schauen und zu lauschen, entdeckt man schnell, wie viel Leben sich hier tummelt. Klar, eine summende und flatternde Blumenwiese ist es nicht, aber umso netter, wenn die Bewohner sich ganz unerwartet zeigen. Die Pfütze zwischen den Steinbrocken ist optisch vielleicht nicht der Hit, aber beim Hinhören bot sich mir ein kleines Konzert glockenheller Stimmen mit ganz guter Akustik.

Wer singt denn hier mit glockenheller Stimme?
Da ist einer der kleinen Sänger: eine Gelbbauchunke – gut getarnt im trüben Wasser.
Bei über 30°C ohne Schatten lässt es sich im Wasser offenbar ganz gut abhängen.

Ja, das Steinbruchsbiotop ist das Zuhause der Gelbbauchunken. Sie singen dort ihre zarten Liebeslieder, die ein bisschen an Glöckchenklingen erinnern, laichen und irgendwie schaffen es ihre Kaulquappen – zumindest zum Teil – groß zu werden, bevor die Tümpel austrocknen. Sie sind auf solche Lebensräume auf Zeit angewiesen. Da Unken evolutionsgeschichtlich älter sind als Frösche und Kröten, können sie sich gegen diese in direkter Konkurrenz kaum durchsetzen. Deswegen besiedeln sie bevorzugt Gewässer, die für die anderen nicht attraktiv sind, vor allem auch weil sie nicht dauerhaft Wasser haben. Oder wie die Fachsprache sagen würde temporäre Klein- und Kleinstgewässer, also Pfützen, Traktor- oder Panzerspuren (auf Truppenübungsplätzen) oder eben die Wasserlöcher im Steinbruch. Diese Art von Gewässern hat den Vorteil, dass sie normalerweise weder Nahrungskonkurrenten noch Fressfeinde beherbergen. Außerdem wärmt sich das flache Wasser schnell auf und beschleunigt damit noch die ohnehin schon sehr zügige Entwicklung von Laich über Kaulquappe zur landgänigen Unke.

Diese Unkenquappe hat schon Beinchen und schafft den Wettlauf mit der Zeit gegen das Austrocknen ihrer Kinderstube bestimmt.
Dieses Bild erinnert mich irgendwie daran, wie sich unsere Vorfahren in grauer Vorzeit einmal aus dem Meer an Land gewagt haben.

Sobald das Gewässer allerdings etwas größer und dauerhafter ist, lassen auch Konkurrenz und Fressfeinde nicht auf sich warten, wie an dem größten Steinbruchtümpel zu sehen war. Neben einer jungen Ringelnatter, die im Unkenrevier bestimmt auch keinen Hunger leiden muss, hatten sich dort auch Grünfrösche angesiedelt. Oder was man eben so Grünfrösche nennt, denn anders als im richtigten Teich nebenan, wo ihre großen Kollegen im froschgrünen Outfit gut getarnt sind, waren die Steinbruchfrösche eher bräunlich gefärbt.

Viel Tarnung bietet der Steinbruchstümpel der Ringelnatter zwar nicht, aber bestimmt einen reich gedeckten Tisch.
Außer den Unken wohnen hier nämlich noch Grünfrösche -a llerdings mit einem Hang zum bräunlichen.
Außerdem hat der Plattbauch hier sein Revier…
… und so wie es scheint auch seine Kinderstube.
as Eiablagemanöver der Plattbauch-Dame sieht jedefalls sehr akrobatisch aus.

Einen ganz besonderen Bewohner des Steinbruchs kann ich euch leider nicht mit Bild vorstellen. Denn neben Unken, Fröschen, Libellen und Ringelnatter leben hier noch Rotflügelige Ödlandschrecken. Klingt erstmal nicht spannend und auch nicht abwegig, dass sich hier Heuschrecken wohl fühlen, aber diese spezielle Art ist tatsächlich vom Aussterben berdroht. Das liegt vor allem an ihren sehr speziellen Lebensraumansprüchen. Außer dort im Steinbruch kommt sie bei uns in der Gegend wohl noch auf dem Güterbahnhof vor. Also noch so ein Kandidat, der Biotope bevorzugt, die wir im ersten Moment eher nicht als solche erkennen. Und was den Steinbruch angeht bin ich mir ziemlich sicher, dass ich wahrscheinlich noch nicht einmal alle spannenden Bewohner dort entdeckt habe. Wer weiß wer noch alles dort wohnt?

6 Kommentare zu “Im Steinbruch

  1. Astrid
    2. Januar 2019 um 20:50

    Hallo Mirjam, die rot- und blauflügeligen Ödlandschrecken gibt es auch in Karlstadt im Grainberg-Kalbenstein und Saupurzel-Gebiet. Total schön! 🙂

    • mirjam
      5. Januar 2019 um 20:43

      Oh schön! Hast du sie selbst schon dort beobachtet? Jetzt habe ich noch einen Grund mehr, mir die beiden Naturschutzgebiete mal in der Saison anzusehen. Das wäre doch ein guter Vorsatz für’s neue Jahr, oder?

      • Astrid
        6. Januar 2019 um 21:05

        Hallo Mirjam, ja habe sie dort selbst gesehen und musste ersteinmal selbst nachschlagen, was das für Tiere sind 😉 Beim Sitzen sind die Ödlandschrecken ganz unscheinbar, aber wenn sie hochfliegen sieht man die wunderschönen bunten Flügel. Das ist auf jeden Fall ein guter Vorsatz fürs neue Jahr 🙂

        • mirjam
          18. Januar 2019 um 14:33

          Das ist ja toll! Die Blauflügeligen sehe ich auch öfter bei uns, die rote Variante habe ich erst zweimal entdecken können. Aber jetzt kenne ich ja – auch Dank dir – mehr als einen ihrer Wohnorte 🙂

  2. 4. Januar 2019 um 19:05

    Liebe Mirjam

    Dein Bericht ist so toll ich muss jetzt zuerst einige Tiere ergoogeln. Ich hoffe du schreibst noch ganz viel über diesen Steinbruch.
    Deine Fotos so wunderschön

    Liebe Grüße
    Claudia

    • mirjam
      5. Januar 2019 um 20:45

      Danke! Es freut mich sehr, dass dir Fotos und Beitrag gefallen. Ich möchte dieses Jahr auch gerne wieder dorthin. Mal sehen, was es noch alles zu entdecken gibt. Tatsächlich sind auch zwei meine liebsten Naturschutzgebiete direkt neben aktiven Steinbrüchen.

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