Noch verlassen wir die Umgebung des Moores nicht. Statt auf dem Lehrpfad über das Moor durfte ich mit einer Freundin aus der Rhön auch noch ein ganz besondere Perle in der Nähe des Schwarzen Moores entdecken: den Eisgraben. Klingt erst Mal unwirtlich, aber dahinter verbirgt sich einfach der natürlich Ablauf des Moores, ein munteres, kleines Bächlein, das über Basaltfelsen und die würzig duftenden Blumenwiesen der Hochrhön fließt. Unseren Treffpunkt hatten wir allerdings etwas ungünstig gewählt, denn an jenem Samstagmittag war auf dem Parkplatz am Schwarzen Moor die Hölle los (wir mussten auf einen Wanderparkplatz in der Nähe ausweichen) und die Schlangen am „nördlichsten Bratwurststand Bayerns“ ordentlich lang. Aber schon um die Ecke im Wald hatten wir den Wanderweg schon wieder für uns. Waldeidechsen huschten im Gras, Waldmistkäfer krabbelten über den Weg und sogar eine Blindschleiche begegnete uns.
Auch wenn es noch sommerlich warm ist, kündigt sich der Herbst schon an. Pilze recken ihre Hüte aus dem Waldboden und auf der Wiese blühen die Herbstzeitlosen. So zart und blass wie sie da stehen, sieht man ihnen ihre Giftigkeit wirklich nicht an. Sehr amüsiert hat uns ein etwas windiger Jägersitz vom Jägersitz-Discounter.
Über den Eisgraben führt eine kleine Brücke oder man balanciert einfach über die Basaltbrocken, klettert den kleinen Wasserfall hinunter, lässt die Füße ins Wasser baumeln und lauscht dem Rauschen. auf dem Felsen hat es sich auch ein dunkles Exemplar der Waldeidechse gemütlich gemacht und tankt Wärme und Sonnenschein.
Dass wir hier Waldeidechsen und Blindschleichen treffen, ist natürlich kein Zufall. Sie gehören zu den wenigen Reptilienarten, die sich auch in kaltem Klima wohlfühlen. Kurze Vegetationsperiode, wenig Sonnenschein, niedrige Durchschnittstemperatur, viel Niederschlag – das kennzeichnet die Hohe Rhön und das klingt nicht nach einem bevorzugten Lebensraum für wärmeliebende Echsen. Dass die beiden hier trotzdem vorkommen können, liegt an ihrer Eigenart, dass die Weibchen lebende Junge zur Welt bringen. Eigentlich legen Reptilien ja Eier. Blindschleiche und Waldeidechse behalten die Eier aber so lange im Mutterleib, bis die Kleinen geschlüpft sind (biologisch korrekt sind sie also nicht vivipar = lebendgebärend, sondern ovovivipar). Das hat den großen Vorteil, dass die Eier nicht an einem festen Platz bleiben, um dort von der Sonne ausgebrütet zu werden, sondern dass die Weibchen sie einfach der Sonne „hinterher tragen“ können. So nutzen sie die knappe Sonnenwärme optimal aus und kommen auch in kälteren Gegenden zurecht. Gemessen an ihrem Verbreitungsgrad ist die Waldeidechse die erfolgreichste Reptilienart der Welt. Bis in den hohen Norden und nach Japan kommt sie vor. Eine ähnliche Verbreitung hat nur die Kreuzotter. Auch sie bedient sich der selben Methode und ist lebend gebärend. Allerdings scheint sie wesentlich scheuer zu sein als Waldeidechse und Blindschleiche. Obwohl sie in der Rhön vorkommt, haben wir von ihr nur Warnschilder gesehen, die die Wanderer auf den vorgegeben Pfaden halten sollen.
Wen die Warnschilder allerdings nicht abgehalten haben, das war ein ganzer Junggesellenabschied mit peinlichen T-Shirts, Bierfass und schon ordentlich Alkohol im Blut. Beinahe wäre einer von ihnen in den Eisgraben gepurzelt und die Ruhe war dahin. Wir nahmen – wenig begeistert über die Einladung zum Schnaps – Reißaus und genossen den Heimweg im herbstlichen Abendlicht. Also, wenn ihr mal Lust auf eine schöne kleine Wanderung in der Rhön ohne Steigung, aber mit viel Natur habt, dann ist der Eisgraben sicher einen Ausflug wert.
Schöner Bericht Mirjam!
Auch wenn das Ende dieser Exkursion ja nicht ganz so toll war, habt ihr an diesem Tage ja so einige tolle Beobachtungen gemacht!
LG
Axel