Hier kommt endlich die Auflösung unserer Rätselnuss Nr. 17. Und wieder mal wart ihr richtig gut. Markus hat es erraten. Gesungen hat für euch das Weinhähnchen.
Vor einigen Jahren fiel mir im Sommer eine neue Stimme im sommerlichen Chor auf Wiesen, Feldrainen und Weinbergen auf. Ein kundiger Naturfreund sagte mir, dass das die Weinhähnchen seien, die durch das wärmere Klima inzwischen aus dem Süden zu uns einwandern. Rätsel gelöst? Von wegen, damit fing es erst an. Ich wollte von da an unbedingt selbst eines sehen. Von Fotos im Internet wusste ich zwar, dass ich nach einer zierlichen Blütengrille Ausschau hielt – denn ein Weinhähnchen ist genauso wenig ein Vogel wie eine Grasmücke ein Insekt -, alleine der Beobachtungserfolg blieb aus. Die kleinen Sänger schienen mich an der Nase herum zu führen. Wenn ich zu nahe kam, verstummten sie und ließen sich einfach nicht finden. Zwei Sommer blieb ich erfolglos und es drängte sich mir die Vermutung auf, dass Weinhähnchen unsichtbar sein müssen. Dann endlich eines Abends entdeckte ich auf der Wiese bei uns im Naturschutzgebiet gleich zwei Weihähnchen auf einer Blüte im goldenen Abendlicht. Ich war sehr angetan von ihrer zierlichen Art, wie sie da saßen und ihre langen Fühler anmutig bewegten. Nur singen wollten sie nicht für mich. Vielleicht waren es ja auch zwei Damen. Von da an begegneten mir hin und wieder einzelne Weinhähnchen – auf einer Blüte, einer Bank am Wanderweg und sogar im Blumenkasten auf der Terrasse. Bloß beim Singen hielten sie sich weiter versteckt.
Ob sie einfach beim Singen unsichtbar werden? Diese These trug ich lange mit mir und konnte sie erst letzten Sommer widerlegen. Genauer gesagt war es eigentlich mein Mann, der die Entdeckung abends beim Gießen machte. Für das, war er mir berichtete, musste ich glatt noch einmal aus dem Bett hüpfen: im Anisysop sang ein Weinhähnchen und ließ sich dabei sogar beobachten. Nicht einmal der Fotoblitz störte es. Und sogar ein Video mit Taschenlampenbeleuchtung ließ es von sich drehen. Seht und hört selbst.
Ist es nicht bezaubernd? Jetzt habe ich die kleinen Sänger voll und ganz ins Herz geschlossen und kann verstehen, warum Grillen, Heuschrecken & Co im antiken Griechenland Apollon, dem Gott der Musik und Dichtkunst, heilig waren. Sie singen zwar nicht wie wir mit Luft, die über Stimmbänder streift, sondern erzeugen ihre Töne durch Reiben der Flügel oder Beine. Das Klangergebnis ist mal eher schnarrend wie bei den Grashüpfern, mal melodiös wie bei den Weinhähnchen. Auf jeden Fall klingen sie für mich alle nach Sommer und machen einfach gute Laune. Entsprechend war ich sehr froh, dass „unser“ Weinhähnchen noch viele laue Augustnächte lang auf unserer Terrasse gesungen hat.
Das Gemheimnis ihrer Unsichtbarkeit konnte ich noch nicht ganz lösen. Zwei mögliche Erklärungen habe ich dafür gefunden. Die eine Theorie besagt, dass sie unsere Ortung über das Gehör austricksen, indem sie ihre Lautstärke ändern, sobald sich jemand nähert, und damit simulieren, mal näher und mal weiter weg zu sein. Die andere Theorie meint, sie machen das dadurch, dass sie einen so hohen Schalldruck erzeugen, dass sie auf beiden Ohren quasi gleich laut klingen und wir so ihre Richtung nicht orten können. Egal, wie sie es machen, mich haben sie so jedenfalls lange erfolgreich an der Nase herumgeführt.
Auf jeden Fall habe ich sie ins Herz geschlossen, diese kleinsten Sänger des Apoll. Wie Doris so schön in ihrem Kommentar geschrieben hat, wecken sie mit ihrem Gesang leicht den Wunsch nach Urlaub im Süden. Oder man schließt einfach die Augen und stellt sich vor dort zu sein. All zu viel Fantasie braucht es dafür nicht.
Für die Fantasie möchte ich euch zu guter Letzt noch eine meiner liebsten Tiersagen erzählen. Sie handelt davon wie – laut Platon zumindest – die Zikaden entstanden sind. Als die Musen ihre Künste zu den Menschen brachten, gab es einige, die vom Singen so begeistert waren, dass sie gar nicht mehr aufhören wollten. Sie sangen und sangen und vergaßen darüber sogar Essen und Trinken. Sie wurden immer kleiner und schrumpeliger und merkten über ihrer Sangesfreude gar nicht, dass sie dabei waren zu verhungern und zu verdursten. Als sie starben, hatten die Götter Mitleid mit ihnen und verwandelten sie in Zikaden. So konnten sie unaufhörlich weitersingen, ohne Speise und Trank zu sich nehmen zu müssen. Und was man in ihrer Gegenwart sagt und tut, tragen sie ihren Herrinnen, den Musen weiter. In diesem Sinne wünsche ich euch viel Vorfreude auf den Sommer 🙂
Oh wie wunderschön, habe ich leider noch nie gesehen oder gehört.
Die Sage über die Zikaden werde ich meinen Enkeln erzählen-so schön.
Danke für die tollen Fotos
Gruß Claudia
Bei euch in der Gegend dürfte es für die Weinhähnchen wohl noch etwas zu kühl sein. Bei uns sind sie wirklich erst in den letzten Jahren gekommen wie auch einige andere Arten, die eigentlich aus dem Mittelmeerraum stammen. Viel Spaß beim Erzählen mit den Enkeln! Ich hatte tatsächlich schon überlegt, ob ich die Sage nicht als Kindergeschichte aufschreiben soll, weil sie mir auch so gut gefallen hat.
Bitte mach das . Wenn ich Douglasienzapfen finde muss ich immer das Märchen von den frechen Mäusen erzählen. Kann leider kein Foto von einem Zapfen hochladen.
Dieses charakteristische Aussehen kann durch ein altes indianisches Märchen ganz einfach erklärt werden: Es war einmal eine sehr alte Douglasie, der wurden jede Nacht von frechen, kleinen Mäusen die Samen aus den Zapfen geklaut und gefressen. Eines nachts dachte sich die alte Douglasie: “Hah! Heute kriege ich euch!” und dann machte sie *Schwupp*einfach die Zapfen zu und man kann heute noch die beiden Mäusebeinchen und das Schwänzchen als drei Fortsätze raushängen sehen.
Ihr müßt euch die Douglasien Zapfen genau anschauen 🙂
Schöne Ostern
Claudia
Ist ja verrückt! Es sieht wirklich aus, als würden da Mäusebeinchen und Schwanz unter den Zapfenschuppen heraushängen. Das ist mir vorher noch nie aufgefallen. Vielen Dank, liebe Claudia, für diese schöne Geschichte!