Die Sache mit den langsamen Insekten

Die Woche erreichte mich eine Haselmaus-Frage, über die ich mich sehr gefreut habe, und zwar folgende:

Liebe Mirjam,

heute bitten wir die Haselmaus um einen ganz praktischen Rat.

In diesem Sommer wollen wir tiefer in die Welt der in unserem Garten heimischen Insekten einsteigen.
Zwar haben wir im Lauf der letzten Jahre schon ein paar Schmetterlings- und Wildbienenarten kennengelernt, doch es sind so viel mehr zu entdecken. Ein Insektenführer liegt bereit, ebenso eine große Lupe.

Doch wir merken, daß doch sehr viele Tierchen blitzschnell fliegen oder krabbeln.
Kaum entdeckt, sind sie im Nu wieder verschwunden und wollen einfach nicht stillhalten, bis wir sie identifiziert haben …

Hat die Haselmaus einen Tipp, wie wir das angehen können? Vielleicht erst fotografieren, dann identifizieren?

Mit einem lieben Gruß,
Iris & Bernd

Über Leute, die sich der faszinierenden Welt der Krabbeltierchen zuwenden, freue ich mich wirklich immer. Mich begleitet diese Faszination schon seit Kindertagen, als ich Grashüpfer und andere Wiesenbewohner zum Beobachten zeitweise in Marmeladengläsern beherbergte und Schmetterlinge und Bienchen am ersten selbst bepflanzen Balkonkasten zu fotografieren versuchte. Und ich musste bei Thema der Frage auch gleich etwas schmunzeln, da mir eine nette Diskussion aus Uni-Tagen in den Sinn kam. Eigentlich ging es um Makrofotografie und eben genau darum, dass Insekten gerne sehr flott unterwegs sind. Mein Gesprächspartner wollte mir Tipps zu einfacheren Fotomodellen geben und das Gespräch ging etwa so.

Er: „Es gibt doch auch langsame Insekten. Wieso fängst du nicht mit denen an?“
Ich: „Welche denn?“
Er: „Naja, zum Beispiel Schnecken.“
Ich: „Schnecken sind aber keine Insekten.“
Er: „Aber Spinnen zum Beispiel. Die sind doch nicht so schnell.“
Ich: „Spinnen sind auch keine Insekten. Insekten haben sechs Beine.“
Er: „Aber Regenwürmer. Das sind doch Insekten, oder?“ …

Seitdem bin auf der Suche nach den sechsbeinigen Regenwürmern. Gefunden habe ich sie noch nicht 😉 Aber zurück zu der Frage, wie man am besten in die Welt der heimischen Insekten einsteigt.

Mit etwas Glück bekommt man sie doch, die langsame Insekten, die zum Fotografieren still halten. Der frisch geschlüpfte und noch nicht ganz aufgepumpte Segelfalter hier schien sehr dankbar, auf meinem warmen Finger sitzen zu dürfen, und ließ sich geduldig fotografieren. Ein absoluter Glücksfund 🙂

Neben Bestimmungsbüchern und Lupe habe ich tatsächlich noch Tipps für ein paar wichtige Utensilien, die es einem leichter machen. Für mich sind es vor allem: eine gute Kamera, ein kleines durchsichtiges Behältnis bzw. keine Scheu vor Berührung, Geduld und ein bisschen Hintergrundwissen zu den kleinen Tierchen.

Der Fotoapparat kann es einem gerade bei scheuen oder sehr quirligen Insekten viel leichter machen. Gerade Blütenbesucher wie Schmetterlinge, Bienen, Hummeln, Schwebfliegen und Co. erwische ich immer am leichtesten, indem ich mich vor eine schöne Blume setze und warte, wer vorbeikommt. Am besten schon mit gezückter Kamera und Fokus auf der Blüte, sobald sich etwas nähert. Schon neben der Blüte zu sitzen, hat auch den Vorteil, dass man eher als „Landschaftsbestandteil“ wahrgenommen wird und die Blütenbesucher wenig Scheu zeigen. Wer mal versucht hat, mit der Kamera einem Schmetterlings hinterher zu laufen, weiß, was ich meine…

Gar kein Kinderspielzeug, sondern ein richtig gutes Instrument, um Krabbeltierchen näher zu betrachten, ist die Becherlupe. Alternativ geht natürlich auch ein kleines Gläschen und eine Lupe. Wobei sich das eher für die „zu-Fuß-Insekten“ eignet. Wenn man eine Hummel in sowas fängt (ich tue es regelmäßig, um welche, die sich ins Haus verfliege, wieder auszusetzen), hält die nicht unbedingt still und brummt einen ordentlich an. Aber Käfer, Grashüpfer und ähnliche Pflanzen- und Bodenbewohner lassen sich darin meist gut betrachten. Gerade Käfer kann man auch gut auf die Hand nehmen, um sie näher zu betrachten. Mit ihrem harten Panzer besteht auch kaum Gefahr, dass man sie dabei verletzt.

Und beim Beobachten eine der wichtigsten Sachen ist sicher die Geduld und das genaue Hinsehen. Ein bunter Schmetterling oder die Wespe auf dem Sonntagskuchen fallen uns schnell ins Auge. Da es zumindest in der warmen Jahreszeit fast überall Insekten gibt, lohnt es sich total, sich mal auf einen ganz kleinen Bereich zu beschränken und genau hinzuschauen, was dort kreucht und fleucht. Das kann eine einzelne Pflanze sein, ein Baum, ein kleines Stückchen Wiese. Sobald das Auge dort etwas länger verweilt, entdeckt es schnell die große Vielfalt an Wesen, die sich dort tummeln. So wie ein Wimmelbild – nur in 3D und sehr meditativ obendrein. Im Sommer begebe ich mich auch gerne morgens oder abends auf die Suche nach schlafenden Insekten. Wildbienen und Käfer übernachten gerne in Blüten, Schmetterlinge hängen sich an Grashalme. Und das ist auch eine der wenigen Gelegenheiten, wo man sich gut anschleichen und sie ganz in Ruhe betrachten kann.

Geduld und Gelassenheit braucht man mitunter auch beim Bestimmen. Ich liebe Bestimmungsbücher und haben schon sehr viel dabei gelernt, weil ich sie einfach gerne durchblättere. Die Chance, dass man das ein oder andere Wesen aus dem Buch, auch draußen in der Natur sofort erkennt ist gar nicht so schlecht. Bei Pflanzen funktioniert das super und auch bei Tieren wie Vögeln und ähnlichen. Bei Insekten kommt es sehr darauf an. Bei Schmetterlingen klappt es mitunter ganz gut, bei den Wildbienen in bestimmten Fällen und bei Käfern muss man schon Glück haben, dass der richtige auch im Buch zu finden ist. Von denen gibt es einfach zu viele Arten, als dass sie alle sinnvoll in ein Buch passen würden. Aber zum Glück gibt es da inzwischen die Möglichkeit, hilfsbereite Experten um Rat zu fragen. In Sachen Käfern kann ich absolut die Seite https://www.kerbtier.de/ empfehlen. Da braucht man nur ein Foto von dem Tierchen sowie die Angabe von Größe und Fundort und bekommt immer innerhalb weniger Tage eine Antwort. Für die nicht-Käfer stelle ich gerne bei https://naturgucker.de meine Bestimmungsanfragen. Und mit der Zeit fuchst man sich auch selber rein. Bei meinen Lieblingen, den Wildbienen bin ich zwar noch weit davon entfernt, eine Expertin zu sein, aber so Stück für Stück schärft sich mein Blick. Außerdem macht das Knobeln einfach Spaß und ich freue mich jedes Mal, wenn ich draußen etwas entdecke, was ich noch nicht kenne. Und dass es was zum Knobeln ist, da stehen die Chancen in der Insektenwelt sehr gut 😉

Ich hoffe, die Tipps haben euch geholfen. Vielleicht habt ihr ja selbst noch welche? Ich freue mich nämlich auch immer über Tipps. Und wünsche euch allen viel Spaß beim Beobachten! Langsam wird es auch Zeit, dass die Temperaturen etwas Insekten-freundlicher werden.

4 Kommentare zu “Die Sache mit den langsamen Insekten

  1. Doris
    24. Mai 2021 um 22:19

    Liebe Mirjam,
    das sind ja super Tipps, vielen Dank! Hummeln haben auch eine Antenne für Kameras, musste ich gestern mal wieder feststellen. Just in dem Moment, als ich das Handy gezückt und in Position gebracht, ist das Objekt der Begierde abgerauscht. 😀 Wieder nix! Mit Schmetterlingen ist das noch krasser, das stimmt wirklich. Tja, da braucht man wohl viel, viel Geduld …
    Liebe Grüße!
    Doris

    • mirjam
      2. Juni 2021 um 10:38

      Geduld und/oder die richtige Zeit. Ich war die Tage mal wieder abends unterwegs, wo sie so langsam etwas ruhiger werden. Die Hummeln verstecken sich da leider im Nest und ansonsten sind sie einfach immer geschäftig unterwegs. Mit dem Handy braucht man da schon viel Glück oder eine extrem leckere, nektarreiche Blüte, wo sie sich länger aufhalten so wie die Artischocken- oder Distelblüten.

  2. 1. Juni 2021 um 17:39

    Liebe Mirjam,
    Seit Tagen höre ich eine Feldgrille und konnte sie nicht aufspüren. Doch gestern hatte ich etwas Zeit und dachte Mirjam sagt: Geduld und genau Hinsehen und das habe ich gemacht und ich habe Herrn Feldgrille entdeckt und konnte sogar ein kleines Video mit seiner Musik aufnehmen. Danach hatte ich Kreuzschmerzen und meine Knie taten auch ganz schön weh – aber das hat sich sooo gelohnt , ich war so stolz.
    Liebe Grüße
    Claudia

    • mirjam
      2. Juni 2021 um 10:51

      Herzlichen Glückwunsch zu der schönen Beobachtung! Geduld und genau Hinschauen lohnen sich wirklich oft. Und wenn die Mühe groß war – müssen ja nicht gleich Schmerzen sein -, dann fühlt es sich noch mehr nach Belohnung an. Und Hut ab, dass du ihn sogar filmen konntest. Ich hatte neulich auch das Glück, einen Grillerich vor seiner kleinen Höhle singend zu entdecken. Sobald die Kamera in Filmposition kam, hat er sich elegant verzogen. Sobald sie weg war, kam er wieder hervor. Deswegen habe ich sein Konzert einfach undokumentiert genossen.

      Meine große Herausforderung sind die Weinhähnchen. Da ist so eine kleine, zierliche Blütengrille, die in den letzten Jahren aus dem Süden zu uns gekommen ist. Sie singen erst abends im Hochsommer und sorgen für ein schön mediterranes Flair. Ich bin inzwischen davon überzeugt, dass sie unsichtbar sein müssen – zumindest, wenn sie aufhören zu singen. Und das tun sie immer, wenn man sich ihnen nähert, um sie zu beobachten 😉

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