Neue Nachbarn

Ein Umzug bringt nicht nur ein neues Heim, sondern auch neue Nachbarn mit sich – menschliche und tierische. Auch wenn ich im alten Zuhause einen wunderbaren Glück ins Grüne hatte und Felder und Wiesen nur eine Straße weiter anfingen, sind wir in unserem neuen Heim noch viel näher an der Natur. Hinter dem Garten (ja, endlich ein eigener Garten, wovon ich schon so lange geträumt habe!) gibt es einen kleinen Zufahrtsweg zu anderen Gärten, dann fängt quasi schon die Wildnis an – verwilderte Gärtchen, Gestrüpp und dahinter Naturschutzgebiet. Sehr naturnah also und das bringt natürlich auch jede Menge tierische Nachbarn mit sich. Rehe, die auf dem Abendspaziergang über den Weg hüpfen, freche Meisen, die mir mein Wildbienenhäuschen fast zerlegt haben, das singende Käuzchen vorm Fenster, jede Menge Marienkäfer und Kiefernwanzen, die sich Überwinterungsplätzchen im Haus suchen und ein Grasfrosch auf dem Gartenweg. Ich bin schon sehr gespannt, welche tierischen Begegnungen mir das neue Jahr vor der Haustür noch bringen wird.

Eine ganz besondere hatte ich schon an den letzten richtig warmen Herbsttagen. Der Weg hinterm Gartentor hat an manchen Stellen eine ordentlich steile Böschung zum Weinberg und der steilen Wiese dahinter. Genau dort sind mir ein paar ganz exklusive tierische Nachbarn begegnet, die mich in helle Aufregung versetzt haben. Auf den ersten Blick sehen sie aus wie gut getarnte Grashüpfer, die sich gerne auf dem warmen Asphalt sonnen.

Ein paar gewöhnliche Grashüpfer auf dem Weg?

Aber als der erste von ihnen vor mir weghüpfte und dabei seinen Flügel ausbreitete, ahnte ich sofort, dass ich es hier mit ganz besonderen Tierchen zu tun hatte. Von ihrem Aussehen im Sitzen her dachte ich mir schon, dass es wohl Ödlandschrecken sind. Ich bin zwar keine Heuschreckenspezialistin, aber aus anderen Trockenrasengebieten kannte ich die Blauflügelige Ödlandschrecke (Oedipoda caerulescens) und denen sahen sie recht ähnlich – mit einem entscheidenden Unterschied allerdings: ihr ausgebreiteten Flügel waren rot. Rotflügelige Ödlandschrecken vielleicht? Die gibt es nämlich auch, nur mit dem Unterschied, dass sie noch deutlich seltener sind als ihre blauflügeligen Verwandten und in Deutschland als „vom Aussterben bedroht“ eingestuft sind. Um sicher zu gehen, dass mir später mit Hilfe von unserer Insektenspezialisten auch eine eindeutige Bestimmung gelingen sollte, habe ich also ein paar mehr Fotos gemacht. Leider hatte ich nur meine kleine Kamera dabei, aber die Schrecken zeigten sich sehr kooperativ.

Bitte liebe Schrecke spring doch, damit ich deine Flügelfarbe fotografieren kann.
Der Fotobeweis für die roten Flügel (die Schrecke leider unscharf, dafür meine Finger im Fokus)

Dank der Bilder hat sich meiner erster Verdacht tatsächlich bestätigen lassen. Es sind Rotflügelige Ödlandschrecken (Oedipoda germanica). Sie lebt in warmen, trockenen Gebieten, die nur schwach bewachsen sind. Sie braucht also offene Flächen. Verbuschen diese, verschwindet die Ödlandschrecke. Sand mag sie gar nicht, ebenso Feuchtigkeit, dafür viel Sonne. Schwach bewachsene Magerrasen oder Steinbrüche sind bei uns in der Gegend mögliche Lebensräume für sie oder eben trockene, offene Böschungen wie dort neben dem Weinberg. Sie gehört wohl auch zu den Arten, die von der Klimaerwärmung profitieren. Heiß und trocken waren gerade die letzten beiden Sommer ja zur Genüge.

Selten, aber wenig scheu – hier putzt sie sich direkt vor der Kamera

Wie sich diese Population der seltenen Ödlandschrecken entwickelt, kann ich ja in Zukunft ganz einfach mitverfolgen. Nicht nur, dass sie wirklich nebenan wohnen, scheu sind sie obendrein überhaupt nicht, fliegen erst im letzten Moment weg und posieren ganz ungeniert vor der Kamera. Nette und interessante tierische Nachbarn also. Mal sehen, was sich da noch alles entdecken lässt.

4 Kommentare zu “Neue Nachbarn

  1. Ursula
    17. Januar 2020 um 19:37

    Toll! Ich hätte sie wahrscheinlich nicht mal GESEHEN!

    • mirjam
      19. Januar 2020 um 19:14

      Im Sitzen sind sie auch sehr schwer zu entdecken, aber sobald sie losfliegen, hättest du sie bestimmt auch gesehen 😉

  2. 17. Januar 2020 um 19:43

    Das ist ja wunderbar, ich habe noch nie was von diesen wunderschönen Ödlandschrecken gehört. In welchem Teil von Deutschland lebst du? Also im Nordschwarzwald habe ich leider noch keine gesehen.
    Viel Freude in deinem neuen Zuhause.
    Claudia

    • mirjam
      19. Januar 2020 um 19:24

      Im Nordschwarzwald dürfte es ihnen bestimmt zu kühl und feucht sein. Ich lebe im sonnigen und trockenen Mainfranken. Durch das spezielle Klima haben wir hier ja einige Arten, die in anderen Gegenden Deutschlands nicht vorkommen, vor allem eben die Wärme- und Trockenheitsspezialisten. Dieses Jahr ist mir echt fast mediterran vorgekommen – im Sommer war fast alles vertrocknet und braun, dafür waren die Wiesen im November noch schon grün. Rosen und Ringelblumen blühen sogar jetzt noch…

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