Summender Balkon: Ermittlung wegen Nektarraub

Auch wenn es schon etwas länger her ist, dass ihr vom summenden Balkon gelesen habt, es lag definitiv nicht daran, dass sich dort nichts getan hätte. Ganz im Gegenteil, schon seit dem späten Frühling herrscht hier reger Flugbetrieb mit teils wechselnden, teils treuen Gästen. Die Mauer- und Pelzbienen haben zwar schon länger ihren Dienst quittiert, eine fürsorgliche Mauerbienenmutter hat tatsächlich ein paar Brutröhren in meinem Bienenhotel belegt (das war zu der Zeit als ich witzelte, ich habe eine Biene und ein Dutzend Räupchen als Haustiere), dafür fühlten sich schon bald verschiedene Hummelarten recht zu der Bepflanzung in den Kästen hingezogen. Zuerst entwickelten sich die Wiesenhummeln (Bombus pratorum) zu Stammgästen, die wenig blütenstet einfach auf ihren Runden alles anflogen, was gerade auf dem Balkon blühte. Von den frühen, oft noch recht kühlen Morgenstunden bis hinein in den späten Abend waren sie unterwegs und so schnell und emsig, dass ich sie kaum abgelichtet bekam. Nur ein weniger geschäftiger Drohn ließ sich ganz in Ruhe fotografieren.

Hier tankt eine Wiesenhummel, wahrscheinlich ein Männchen, etwas Sonne auf der Balkonbrüstung.

Als die Kräuter anfingen zu blühen, kam richtig Leben in die Balkonkästen. Klar, den Lavendel lieben alle Hummeln und Bienen, aber die absoluten Stars bei mir sind immer noch Majoran und Oregano. Ihre zierlichen, kleinen Blüten locken eine sehr bunte Palette von Bestäubern an – Ackerhummeln (Bombus pascuorum), Baumhummeln (Bombus hypnorum), Furchenbienen, verschiedene blütenbesuchende Wespen und endlich auch Honigbienen. Um letztere begann ich mir nämlich schon Sorgen zu machen. Weder auf meinem Balkon noch auf meinen Lieblingsblumen auf der Wiese waren viele Honigbienen anzutreffen. Das änderte sich erst etwas, als Rapsfelder und Linden verblüht waren. Vielleicht täuscht es mich, aber besonders viele sind es immer noch nicht. Ob die Bienen einen schweren Stand haben dieses Jahr?

Die Baumhummel fliegt ganz offensichtlich auf den blühenden Majoran.

Ebenso wie die Furchenbiene.

Auch eine kleine Wildbienenart, deren Namen ich noch nicht herausgefunden habe, besucht regelmäßig den summenden Balkon. Wenn man nicht so genau hinsieht, könnte man sie fast für eine Mücke halten, aber ihr Verhalten und ihr Körperbau sprechen ganz eindeutig für eine Biene. Zuerst war sie auch an Majoran und Oregano zu Gast, jetzt hat sie auch das Bohnenkraut und den Drachenkopf für sich entdeckt.

Die Minibiene mag das Bohnenkraut.

Immerhin haben seine Blüten eine Größe, die gut zu ihr passen.

Als ich diese lustigen Minibienen am Drachenkopf beobachtete, fiel mir auch etwas ganz Unerhörtes auf: dort war eingebrochen worden. Der Türkische Drachenkopf (Dracocephalum moldavicum), auch Moldawische Melisse oder Moldawien-Drachenkopf genannt, ist ein einjähriger Lippenblütler mit einem recht tiefen Blütenschlund. Nicht für kurze Rüssel also. Da aber wohl ein kurzrüsseliger Gast trotzdem Appetit auf seinen Nektar hatte, hat er kurzerhand Löcher seitlich in die Blüten geknabbert, um doch an das begehrte Süß zu gelangen, und das bei ziemlich vielen Blüten.

Schon ohne Blüten ist der Drachenkopf eine schmucke Pflanze, die nach Melisse riecht und schmeckt.

Bei genauem Hinsehen fallen die Löcher in der Seite auf.

Hier war der Nektardieb besonders rabiat und hat sich gleich von beiden Seiten komplett durch die Blüte gebissen.

Dieses Verhalten heißt Nektarraub bzw. -diebstahl und wird vor allem bei kurzrüsseligen Hummeln oft beobachtet oder bei langrüsseligen, die versuchen in Schmetterlingsblumen einzubrechen. Wissenschaftliche Untersuchungen legen nahe, dass die Hummeln dabei voneinander lernen und sich teilweise sogar die Seite, von der sie eindringen, abschauen (mehr darüber könnt ihr hier nachlesen oder auf Englisch und mit Video hier). Aber wer ist der Dieb auf meinem Balkon? Neben den Minibienen, die aber klein genug sind und einfach in die Blüten bis zum Nektar hinunter krabbeln können, lieben die Ackerhummeln den Drachenkopf besonders. Allerdings haben auch sie es nicht nötig, seine zarten, blauvioletten Blüten so grob anzugehen, denn ihr Rüssel ist lang genug. Es hätte mich auch gewundert, wenn meine absoluten Heldinnen der Arbeit so ein Verhalten an den Tag legen. Sie gehören nämlich zu den emsigsten und treusten Gästen auf dem summenden Balkon. Von Früh bis Spät sind sie unterwegs und dabei noch nicht einmal sehr wählerisch, was ihren Blütengeschmack angeht. So konnte ich sie schnell von dem Verdacht freisprechen, sogar mit Fotobeweis. Sie halten sich an den alten Deal zwischen Blütenpflanzen und Bestäubern: Nektar gegen Bestäubung.

Die Ackerhummeln holen sich den Nektar im Drachenkopf auf die pflanzenfreundliche Weise.

Also, Minibienen und Ackerhummeln fallen damit schon einmal aus dem Kreis Potentieller Nektardiebe heraus. Aber wer war es dann? Ich weiß es noch nicht und werde die Ermittlungen wohl noch fortführen müssen. Die Kamera liegt jedenfalls griffbereit auf dem Wohnzimmertische. Vielleicht lüftet sich dieses Geheimnis ja bald.

Die Tomatenblüten wurden wohl anstandsgemäß bestäubt – Blütengäste anzulocken muss nicht immer uneigennützlig sein 😉

2 Kommentare zu “Summender Balkon: Ermittlung wegen Nektarraub

  1. 5. August 2017 um 15:35

    Hallo Mirjam,

    da ist tatsächlich toll was los auf deinem summenden Balkon. Übrigens hat mich „Teil 1“ dazu inspiriert, mir Samen vom Goldlack zu besorgen. Die Keimlinge sind schon vor einiger Zeit in einen Blumenkasten umgezogen und entwickeln sich ganz prächtig. Bin schon sehr gespannt, welche Besucherriege sich dort im nächsten Frühjahr einfinden wird.

    Oregano ist wirklich eine famose Insektenpflanze. Von meinem Balkon hat sich eine in den Rasen ausgesät. Ein prächtiger Busch inzwischen. Und wie bei dir waren dort unter anderem auch Furchenbienen. Könnte deine Minibiene eventuell eine Löcherbiene sein?
    Meine (traurige) Beobachtung hier: noch weniger Insekten als im letzten Jahr.

    Ach so, sehr schön dein Beitragstitel. Bin gespannt, wann Frau Ermittlerin den Nektarräuber erwischt.

    Liebe Grüße,
    Petra

    • mirjam
      6. August 2017 um 19:34

      Wie schön, dass ich dich zum Goldlack inspiriert habe! Ich habe ihn dieses Jahr wirklich sehr lieb gewonnen und mein weißes Exemplar erfreut im Moment die Hummeln und Bienen mit einer zweiten Blüte. Hoffentlich blühen deine nächstes Jahr auch so reichlich.

      Die Minibiene könnte tatsächlich eine Löcherbiene sein. Danke für den Tipp! Allerdings gibt es ja eine ganze Reihe von kleinen Wildbienen. Da hat man es als nicht-Fachmann schwer. ich habe heute noch einmal versucht, ein paar etwas schärfere Bilder zu schießen. Vielleicht lässt sich daraus eine eindeutige Bestimmung ableiten. Bei uns ist mir das mit den weniger Insekten nicht so sehr aufgefallen. Das kann aber auch gut daran liegen, dass letztes Jahr durch den kalten Frühling ein schlechtes Jahr war, vor allem für die Schmetterlinge. Nur bei den Honigbienen ist es mir aufgefallen. Leider scheint es sich aber wissenschaftlich zu bestätigen, dass die Zahl der Insekten insgesamt abnimmt. Und es hat mich ziemlich geärgert, dass sich manche in den Medien über diese alarmierende Meldung fast schon lustig gemacht haben…

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Time limit is exhausted. Please reload CAPTCHA.