Sympathische Schmarotzer

Neulich kam die Frage auf, ob kleine Wildbienenhotels nicht vorteilhafter wären als große, da Brutparasiten es bei den großen leichter hätten. Tja, gute Frage. Bei mir auf der Terrasse ist die Wildbienenpopulation in den letzten Jahren stetig gewachsen, sowohl in Anzahl der Individuen (vor allem bei den Mauerbienen) als auch der verschiedenen Arten. Und ja, auch Brutparasiten haben sich eingestellt. Allen voran die zierlichen, schillernden Goldwespen. So hübsch und lebhaft wie sie sind, ist es leider sehr schwer, sie zu fotografieren. Auch die Trauerschweber tummeln sich um die Bienenhäuschen herum. Beide legen ihre Eier in die Nistgänge von z.B. Mauerbienen, wo sich ihre Larven von denen der Bienen ernähren. Ich freue mich natürlich über meine Bienchen, aber gegen Goldwespen und Trauerschweber hege ich deswegen trotzdem keinen Groll. So ist die Natur eben. So eine komplett friedfertige Lebensweise wie die Bienen, die sich nur von Pollen und Nektar ernähren, die ihnen die Blütenpflanzen im Gegenzug für ihr Bestäubung bieten, zeigen die wenigsten Lebewesen – uns eingeschlossen. Da sind moralische Wertungen fehl am Platz.

Die winzigen, schillernden Goldwespen auf der Wilden Möhre

Selbst unter den Wildbienen gibt es eine ganze Reihe an sog. Kuckucksbienen, die statt selbst Nahrung für ihren Nachwuchs zu sammeln, ihre Eier in die Nester anderer Bienenarten legen, wo ihre Larven es sich gut gehen lassen – natürlich zum Nachteil der Wirtslarve. Für zwei reicht der sorgsam rationierte Vorrat an Pollen- und Nektar nämlich nicht. Besonders auffällig und häufig sind bei mir im Garten die Blutbienen (Sphecodes). Auch wenn sie nicht für ihre Brut sammeln, sie selbst ernähren sich natürlich schon von Nektar und bestäuben dabei Pflanzen.

Blutwespen auf Feld-Mannstreu

Ganz auf die Spitze treiben diese Art des Brutparasitismus die Kuckuckshummeln. Da übernimmt eine Kuckuckshummelkönigin das Nest einer „normalen“ Hummelart und lässt sich und ihre Brut von den dortigen Arbeiterinnen versorgen. Dagegen wirken andere Brutparasiten reichlich unsystematisch in ihrem Vorgehen. Besonders sympathisch finde ich die Wollschweber – klein, pelzig und neugierig. Ähnlich wie ihre verwandten die Trauerschweber ernähren sich ihre Larven u.a. auch von Wildbienenlarven, meistens solchen, die im Boden nisten. Abgesehen davon sind es einfach putzige Tierchen, die sich auf waghalsige Flugmanöver verstehen und manchmal fast mit einem zu spielen scheinen. Selbst große Wesen wie mich umkreisen und beäugen sie wenig scheu in ihrem typischen Schwebeflug, schwirren Kolibri-artig an Blüten heran, aus denen sie mit ihrem langen Rüssel Nektar saugen. Und man kann gewiss sein: wo Wollschweber unterwegs sind, scheint die Artenvielfalt zumindest groß genug, dass auch ihre Wirte ein Auskommen finden.

Wollschweber am Diptam

Eine noch seltsamere Form seinen Nachwuchs unterzubringen hat der Ölkäfer – im Volksmund auch „Maiwurm“ genannt. Das Weibchen des Schwarzblauen Ölkäfers (Meloe proscarabaeus) legt seine Eier in der Nähe von Blütenpflanzen ab. Die Larven klettern dann auf die Blüten und warten dort bis eine Biene vorbeikommt, die sie mit in ihr Nest nimmt. Erwischt sie dabei die falsche Bienenart z.B. eine Honigbiene, hat die Larve Pech gehabt und muss verhungern. Besonders effektiv ist diese Methode also nicht, weswegen das Ölkäferweibchen auch eine Unmenge an Eiern legt (jeweils wohl so 3000-9000 Eier im Abstand von mehreren Wochen) und entsprechend schwerfällig unterwegs ist, wenn die nächste Eiablage bevorsteht. Wegen seiner Spezialisierung auf bestimmte Bienenarten und der ausgefallenen Vermehrungsstrategie ist der Schwarzblaue Ölkäfer ein Indikator für ein recht intaktes Ökosystem auf extensiv genutzten, artenreichen Standorte wie Trockenrasen, Heiden und Streuobstwiesen. Und steht leider auf der Roten Liste. Dabei müssen sich die erwachsenen Käfer kaum vor Fressfeinden fürchten. Sie produzieren das Gift Cantharidin, das schon im antiken Griechenland für Hinrichtungen genutzt wurde und ein auch später immer wieder für Giftmorde. Noch bekannter ist der Giftstoff aber als Aphrodisiakum unter dem Stichwort „Spanische Fliege“ (ein Verwandter unseres Ölkäfers). Allerdings sollte man davon wirklich lieber die Finger lassen. Eine Vergiftung ist hier deutlich leichter zu erreichen als eine liebessteigernde Wirkung und hat schon dem Marquis de Sade ein Todesurteil eingebracht (er wollte mit Spanische-Fliege-Bonbons Damen gefügig machen). Die Giftmenge eines Ölkäfers kann wohl durchaus reichen, einen Erwachsenen umzubringen. Also: Finger weg! Denn der Maiwurm sondert sein giftiges Sekret mitunter auch bei Bedrohung ab.

Ob dieser Maiwurm wohl auf dem Weg zur Eiablage ist?

Ob jetzt große Wildbienennisthilfen Brutparasiten begünstigen, kann ich nicht sagen. Bei meinen mache ich mir darüber aber auch keine Sorgen, solange es noch mehr Bienen als parasitische Untermieter gibt. Die sind ja auch ein Teil des Ökosystems und haben genauso ihre Daseinsberechtigung. Bei ihren kreativen und zum Teil riskanten Brutversorgungsstrategien ist Staunen wohl sinnvoller als Werten.

4 Kommentare zu “Sympathische Schmarotzer

  1. Beatrix
    26. Mai 2022 um 9:47

    Danke für den tollen Artikel, da habe ich wieder viel dazu gelernt.
    Der Wollschweber ist ein häufiger Gast in meinem Garten, auch die Goldwespe sehe ich gelegentlich.

    • mirjam
      18. Juli 2022 um 12:26

      Sehr gerne 🙂 Bei dir im Garten gibt es bestimmt auch genug Nistmöglichkeiten für die „Wirte“ von Wollschweber und Goldwespe. Das ist doch eigentlich ein gutes Zeichen.

  2. 10. Juni 2022 um 8:43

    Bei meinem Bienenhotel treibt auch der Wollschweber sein Unwesen aber ich versuche mich nicht einzumischen und ja die sind wirklich sehr neugierig. Meine 5 jährige Enkelin hat gestern einen Goldschmied (Goldlaufkäfer) gefunden , so etwas hübsches.
    Den Maiwurm würde ich auch mal gerne sehen. Wieder sagenhafte Fotos.
    Liebe Grüße
    Claudia

    • mirjam
      18. Juli 2022 um 12:23

      Danke, liebe Claudia! Einen Goldlaufkäfer habe ich noch nicht gesehen. Überhaupt wenige Laufkäfer. Die sind aber auch flott unterwegs und eigentlich alle hübsch anzuschauen. Schön, dass deine kleine Enkelin ein Auge für so etwas hat.

      Liebe Grüße,
      Mirjam

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